FORUM 1/2024 Sicher angekommen oder weiter auf der Flucht?


Liebe Leser*innen!

Die Lebens- und Aufwachsbedingungen junger Menschen sind zunehmend geprägt von multiplen Krisen. In manchen Teilen der Welt, vor allem im Globalen Süden, können diese Krisen eine existenzielle Bedrohung darstellen. Ein kapitalistisches System, welches den Klimawandel, Kriege, Gewalt und Armut produziert, sorgt dafür, dass Menschen gezwungen sind ihr zu Hause zu verlassen und Schutz zu suchen. Mitte 2022 leben laut der Uno Flüchtlingshilfe 2,1 Millionen geflüchtete Menschen in Deutschland, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlichte Ende 2022, dass sich 17.657 unbegleitete geflüchtete Minderjährige und 7.427 junge Volljährige in der Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe befinden.

Junge geflüchtete Menschen, insbesondere wenn sie unbegleitet fliehen müssen, sind eine sehr vulnerable Gruppe, denen besonderer Schutz ermöglicht werden muss. Erfahrungen zeigen, dass auch nach der Ankunft für geflüchtete Kinder und Jugendliche keine Ruhe einkehrt und ihre Versorgung, Betreuung und Unterbringung sehr prekär ausfällt. In Hamburg gibt es aufgrund von fehlenden Plätzen und Kapazitäten in der Jugendhilfe bspw. eine massive Überlastung von Erstaufnahmeeinrichtungen, lange Verweildauer in diesen Einrichtungen oder im Kinder- und Jugendnotdienst und zu wenig zur Verfügung stehende Vormundschaften. Diese Umstände sorgen dafür, dass Kinder- und Jugendrechte nicht gewahrt werden und eine dem Kindeswohl entsprechende Versorgung nicht vollständig gewährleistet werden kann.

Gegen diese rassistischen Strukturen und Praktiken in unserer Gesellschaft sowie der Jugendhilfe, braucht es eine klare Positionierung und ein strukturelles Verständnis, auch hinsichtlich eines zunehmend stärkeren Aufschwungs rechter Gesinnungen und der Erstarkung rechter Parteien.

Zu Beginn der Ausgabe schreibt Silke Betscher in dem Text Die Produktion von unbegleiteten Minderjährigen als Grenzfiguren – Postkoloniale Perspektiven auf Soziale Arbeit zwischen Migrationspolitiken und Jugendhilfe mit Hinblick auf postkoloniale Zusammenhänge über die strukturellen Hürden, mit denen junge geflüchtete Menschen auf und nach der Flucht konfrontiert sind und benennt Auswirkungen, die sich aus zunehmenden Verschärfungen im Asyl- und Migrationsrecht ergeben. 

Björn Stehn gibt mit seinem Beitrag Der Weg durch den Behördendschungel Die rechtliche Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge und junger Erwachsener in Hamburg einen umfassenden Überblick über die Zuständigkeiten und rechtlichen Rahmenbedingungen unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter.

Erik Jahn und Lisann Mayer schreiben in ihrem Beitrag Unbegleitet und ungehört? Zur Situation unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter aus ombudschaftlicher Sicht über die Praxis ihrer ombudschaftlichen Arbeit mit jungen geflüchteten Menschen. Volker Vödisch berichtet in dem Text Mangelhafte Zustände in Hamburger Erstversorgungseinrichtung– Jugendliche verschaffen sich Gehör über die prekäre Situation in einer Erstversorgungseinrichtung und die notwenige Selbstorganisation junger Geflüchteter um ihre Anliegen einzufordern.

Neben dem Schwerpunkt dieser Ausgabe, freuen wir uns, zum ersten Mal unsere neue Kategorie „Perspektiven junger Menschen“ füllen zu können. Simon Becker verarbeitet in dem Text Disconnected#1: “entrückt” persönliche Erfahrungen aus der Zeit auf der Straße.

Weitere Texte sind die Stellungnahme Engagierte junge Menschen unter Generalverdacht vom Vorstand des Landesjugendrings Hamburg, in dem sich der Landesjugendring kritisch zu der Überprüfung der Hamburger Jugendverbände durch den Verfassungsschutz positioniert, sowie eine Rede zum 25-jährigen Jubiläums des KiFaZ Barmbek von Gabriele Friederike Biehl, die in dem Beitrag „Von und mit den Familien zu lernen war schön!“ Rede anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Familienhebammenarbeit und Frühe Hilfen im Kinder- und Familienzentrum in Barmbek vorgestellt wird.


Wir wünschen allen Leser*innen eine interessierte Auseinandersetzung und aktivierende Impulse. In aller Deutlichkeit möchten wir diese Ausgabe mit folgenden Worten beenden:

Um Europa keine Mauer, Bleiberecht für Alle und auf Dauer! Refugees Welcome!

 

Fabienne von Hohenthal, Anja Post-Martens, Vera Koritensky und von nun an auch Teil des Teams und der FORUM-Redaktion, Bente Varlemann

 

Das Editorial als PDF findet ihr hier und das Inhaltsverzeichnis hier.