Liebe Leser*innen!
Über 20 Jahre ist es her, dass Finke und Müller im Jahre 1995 ihr neuentwickeltes Konzept zur Arbeit der Hamburger Kinder- und Jugendhilfezentren (im folgenden: KiFaZe) vorlegten und diese ihre Tätigkeit in den Stadtteilen zu entfalten begannen. Der Ansatz markiert einen Meilenstein in der Jugendhilfe: Erstmalig wurden niedrigschwellig angelegte infrastrukturelle Maßnahmen mit dem Angebot intensiverer Unterstützungsleistungen für Einzelne und einer sozialräumlichen Ausrichtung verknüpft. Diese Ausgabe des FORUMs widmen wir deshalb im Schwerpunkt den Hamburger KiFaZen und gratulieren ihnen zu ihrer zwanzigjährigen Arbeit als Systemgrenzen überschreitende Familien-Rundum-Kümmerer. Wir bedanken uns herzlich bei den KiFaZ-Kolleg*innen für ihre Bereitschaft, an der Erstellung dieses Heftes durch zahlreiche Beiträge und in einem erweiterten Redaktionskreis mitzuwirken
In ihrem Grußwort attestiert auch Sozialsenatorin Melanie Leonhard den KiFaZen, dass sie „Pionierarbeit geleistet [haben] für stadtteilbezogene und wohnortnahe Angebotsformen, die sich an den Bedürfnissen, Wünschen und den Möglichkeiten der Menschen in den verschiedenen Quartieren orientieren“. Marcus Hußmann schildert als ehemaliges Mitglied des Forscher_innen-Teams, das 2002 mit der Evaluation der Hamburger Kinder- und Familienhilfezentren beauftragt wurde, seine hierdurch gewonnenen neuen Einblicke und ihre wesentlichen Ergebnisse. Dass die KiFaZe „Erfolgreich sozialräumlich handeln“ (so der Titel der Publikation der Untersuchungsergebnisse) konnte von den Forscher*innen unzweifelhaft und fundiert aufgezeigt werden und wurde in einer von Timm Kunstreich 2012 durchgeführten Folgeuntersuchung erneut bestätigt. Es drängt sich daher die Frage auf, wieso die KiFaZe in Hamburg nicht über ihr Inseldasein hinaus weiterentwickelt und ausgebaut wurden und bei der Einführung des SHA-Vorläufer Programms SAE im Jahr 2002 nicht als zentrale Akteure mitgedacht wurden. Auch der Abteilungsleiter im Amt für Familie Dirk Bange und seine Kollegin Brigitte Hullmann konstatieren, dass die KiFaZe „als wichtige stadtteilbezogene offene Einrichtungen der Familienförderung ein fester Bestandteil der Hamburger Kinder- und Jugendhilfelandschaft bleiben“ werden. Angesichts dieser Wortwahl drängt sich allerdings die Befürchtung auf, dass es lediglich um die Erhaltung des Status Quo geht, und selbst das scheint zweifelhaft angesichts der aktuellen Entwicklungen um das KiFaZ im Barmbek Basch, das von erheblichen finanziellen Kürzungen bedroht ist. Die Praxis in den KiFaZen mit ihren alltäglichen Herausforderungen zeigen Beiträge aus Behörden-, Mitarbeiter*innen und Nutzer*innenperspektive, und auch, welches breite Angebotsspektrum die Häuser ausgerichtet auf die jeweiligen Bedarfe der Nutzer*innen abdecken. Wir danken allen Autorinnen und Autoren für die Einblicke in ihre vielfältige sozialräumliche Praxis.
Außerdem möchten wir Ihnen mit diesem Heft weitere Blicke aus kritischer Fachlichkeit eröffnen: Lea Degener und Peter Meyer berichten vom Verlauf der vierten Sitzung der Hamburger Enquete-Kommission. Wolfgang Hammer formuliert Anforderungen an den Neustart einer Reform der Kinder- und Jugendhilfe in einer fast philosophischen Betrachtung über den Wert der Gesetze. Manfred Neuffer kritisiert die Pläne der Regierungskoalition, mit einem sog. dienstherreneigenen Studiengang „Soziale Arbeit in der öffentlichen Verwaltung“ die Freiheit der Lehre zu verletzen. Die Umsetzung des Beteiligungsanspruchs in unfreiwilligen Kontexten stellte für Svenja Fischbach und dem Team der Gästewohnung des ASP Wegenkamp häufig eine besondere Herausforderung dar. Eine Nutzer*innen zentrierte Selbstevaluation brachte Aufschluss darüber, wie Partizipation in Zwangskontexten ermöglicht werden kann.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen!