Liebe Leser*innen!
Die gesamte Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere die Offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) ist massiv defizitär ausgestattet und von einem stark steigenden Fachkräftemangel betroffen. Bedarfe steigen und können nicht mehr gedeckt werden, Stellen können häufig lange nicht nachbesetzt werden, viele Gebäude der Einrichtungen sind renovierungsbedürftig und es besteht ein starker Sanierungsstau, wie z.B. eine kleine Anfrage der Linken aus 2022 thematisiert. Statistiken zeigen, dass Einrichtungen der OKJA in den vergangen Jahrzenten abgebaut und geschlossen wurden. Verstärken sich die ohnehin schon prekären Rahmenbedingungen noch weiter, so wird die Existenz der OKJA zunehmend in Gefahr gebracht– was keine Überraschung ist, wenn wir uns z.B. anschauen, dass mehr als die Hälfte aller OKJA-Einrichtungen in Hamburg mit weniger als zwei Vollzeitstellen ausgestattet sind und die finanziellen Mittel nicht auskömmlich den Bedarfen von Kindern und Jugendlichen angepasst, als auch steigende Inflationsquoten nicht berücksichtigen werden. Die unzureichende Ausstattung begrenzt sich nicht nur auf Hamburg, auch bundesweit zeigen sich diese Defizite. Dennoch bleibt ein grundlegendes Umdenken bzgl. der Finanzierungssituation der OKJA aus.
Trotz all der widrigen Bedingungen, sind Kolleg*innen weiterhin kontinuierlich für die Besucher*innen in OKJA-Einrichtungen da. Parteilichkeit, Niedrigschwelligkeit und Offenheit sind wichtige Grundprinzipien und alle Kinder und Jugendlichen haben auch das Recht darauf, Einrichtungen der OKJA zu besuchen. OKJA-Einrichtungen sind wichtige Instanzen in der Entwicklung junger Menschen, auch im Hinblick auf politische Bildung und Demokratieförderung. Es braucht dringend ein Verständnis dafür, dass OKJA nicht nur für Freizeitgestaltung da ist, sondern bedeutsame Bildungs- und Beziehungsarbeit leistet, die freiwillig und selbstbestimmt von Nutzer*innen angenommen wird und gerade deshalb besonders wirksam sein kann. Auch dadurch wird deutlich, weshalb die OKJA auch als Pflichtleistung im SGB VIII festgeschrieben und keineswegs eine freiwillige Leistung der Kommunen und Länder je nach Haushaltslage ist.
Immer häufiger führen die unzureichende Ausstattung, steigende Arbeitsanforderungen durch Entgrenzung des Arbeitsfeldes und der Fachkräftemangel dazu, dass Fachkräfte ihren Aufgaben teilweise nicht mehr oder nur noch unter größten Bemühungen gerecht werden können. Es darf keine Individualisierung dieser Umstände mehr geben. Es handelt sich um ein strukturelles Problem, welches anerkannt werden muss und für das Lösungen im Sinne der jungen Menschen und Mitarbeitenden der OKJA gefunden werden müssen. Dafür braucht es starke Bündnisse und Netzwerke innerhalb des Arbeitsfeldes, um gemeinsam die politisch Verantwortlichen in ihren Pflichtaufgaben für die OKJA zu adressieren und auf die Unmöglichkeit aufmerksam zu machen, unter diesen Mangelbedingungen länger Angebote der OKJA im Sinne der jungen Menschen durchführen zu können.
Der Schwerpunkt dieser Ausgabe Prekär und trotzdem offen ?! startet mit dem Text Aktuelle Rahmenbedingungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Deutschland von Sania Butt, in dem ein bundesweiter Überblick, auf die aktuelle Situation der Ausstattung und weitere Umstände in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit gegeben wird und zeigt damit auf, wie prekär und unzureichend diese aktuell ist.Martina Reis gibt in dem Text Aus der Sicht eines:einer Praktikant:in in der OKJA einen Einblick in die Realität eines studentischen Praktikums in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und beleuchtet dabei Herausforderungen und Möglichkeiten.
In dem Interview „Eine Herausforderung wird sein, das Außengelände des Bauis nach Beendigung der Baustelle wieder zu gestalten.“ mit dem Bauspielplatz Rübezahl, berichtet das Team über einen langen Prozess von fehlender Instandhaltung der Einrichtung, hin zu der Gestaltung, Planung und Umsetzung eines Neubaus. In dem Text Statements von Fachkräften zu Herausforderungen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, Finanzierung und Ausstattung der OKJA berichten Fachkräfte anonymisiert aus der OKJA und angrenzenden Arbeitsfeldern eindrücklich über die Arbeitssituation in dem Arbeitsfeld und den damit verbundenen Herausforderungen.
Neben dem Schwerpunktthema dieser Ausgabe freuen wir uns, eine Perspektive junger Menschen abbilden zu können mit dem Text Gemeinsam ein Zeichen gegen Rechts setzen von dem Kinder- und Jugendvorstand Clippo Boberg, in dem eine Rede vorgestellt wird, die bei einer Demo gegen rechts in Bergedorf von ihnen gehalten wurde. Mit der Stellungnahme zur Hetze in rechten Foren, die inzwischen von mehr als 100 Organisationen und Einzelpersonen solidarisch unterzeichnet wurde, positioniert sich der Bauspielplatzes Hexenberg, nach einem Vorfall rechter Hetze gegen die Einrichtung. Außerdem beschäftigt sich Ole Schmieder in dem Text Keine Berufsgeheimnisträger:innen - Fanprojekte und das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht mit der Bedeutung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Nutzer*innen und Mitarbeitenden in Fanprojekten und damit verbunden der Notwendigkeit eines Zeugnisverweigerungsrechtes für Mitarbeitende der Sozialen Arbeit.
Mit diesen und weiteren Beiträgen wünschen wir euch und Ihnen stärkende Impulse und eine interessierte Lesezeit mit dieser Ausgabe.
Fabienne von Hohenthal, Bente Varlemann sowie Anja Post-Martens und Vera Koritensky