Liebe Leser*innen!
Soziale Arbeit agiert innerhalb von gesellschaftlichen Herrschafts- und Machtverhältnissen. Als Teil von Sozialpolitik ist Soziale Arbeit ganz konkret an unterschiedlichste Vorgaben und Rahmungen – rechtlicher, finanzieller, institutioneller Natur – und an sozialpolitische Programme gebunden. Sozialarbeiter*innen können nicht losgelöst davon tätig sein.
Ihre Legitimation und Handlungsberechtigung bezieht Soziale Arbeit durch das Markieren sozialer Probleme und das Aufdecken von Handlungsbedarfen. Das tut sie, in dem sie mit der „Macht der Norm operiert“ – wie Johannes Stehr es benennt – und Probleme identifiziert. Wer die Definitions- bzw. Deutungsmacht hat, bestimmt die Normalität und somit auch abweichendes Verhalten. Michel Foucault nennt das „Regierungshandeln“. Das meint auch Fabian Kessl, wenn er Soziale Arbeit nicht einfach als Instrument von Sozialpolitik betrachtet, sondern als aktive Akteurin bei der „Regierung des Sozialen“. Und wir, als in der Sozialen Arbeit Tätigen, sind unweigerlich darin verstrickt. Die Beiträge in diesem Heft sollen zur (Selbst-)Reflexion Sozialer Arbeit als machtvolles Herrschaftsinstrument anregen.
Im dem ersten Beitrag von Ulrike Urban-Stahl wird eine Annäherung an die Begrifflichkeiten Macht, Zwang und Kontrolle vorgenommen und die Debatten um diese Begriffe beleuchtet. Dass jegliche sozialarbeiterische Unterstützung von einer asymmetrischen Machtkonstellation zwischen Nutzenden und Sozialarbeiter*innen geprägt ist, greift Kai Gärtner vom KiFaZ Schnelsenauf, während Katharina Wolter das Phänomen der Hausbesuche kritisch betrachtet.
Birte Weiß berichtet als Antidiskriminierungsberaterin von ihrer Arbeit zum Thema Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, während Svenja Fischbach das rassistische Vorgehen der Essener Tafel vergangenen Februar tiefergehend analysiert und kontextualisiert.
Den Schwerpunkt ergänzen Beiträge, die Machtmissbrauch in der Jugendhilfe zum Thema machen: Neben dem Team der Gästewohnung & Tilman Lutz, die von einem Fachtag zu 70 Jahren Heimgeschichte berichten, erzählt uns Trietze als Betroffene von ihren Erfahrungen. In der Rubrik Ermächtigung finden Sie neben anderen einen Beitrag von Tabea Hampel und Holger Schmidt, in welchem Ergebnisse einer Forschung zu Partizipationsstrukturen in Einrichtungen der OKJA vorstellt werden. Eine Buchempfehlung zu „Löweneltern und Heimkindern“, rezensiert von Mandfred Neuffer, schließt den Schwerpunkt ab.
Im Anschluss finden Sie unter anderem Positionierungen von Wolfgang Hammer zu Kinderrechten mit Blick auf den neuen Koalitionsvertrag und von Peter Marquard zur Debatte um die Sozialraumorientierung. Wie Kinder und Eltern Jugendhilfe erleben, hat Karen Polzin im Rahmen der Berichterstattung über die Enquetekommission zur Kinder- und Jugendhilfe in Hamburg. zusammengefasst.
Abschließend stellt Joachim Gerbing die Entwicklungen in der im April 2018 gegründeten Interessenvertretung der Offenen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien vor, die uns daran erinnert, dass Soziale Arbeit eben auch eine politische Gestaltungsmacht hat. Diese stärker zu nutzen, im Sinne der Nutzer*innen als auch zur Stärkung der Profession, ist bei den gebotenen Entwicklungen unumgänglich.
Wir wünschen Ihnen dazu eine hilfreiche Lektüre!