FORUM 1/2019 - Offen für Genderperspektiven?


Die vollständige Ausgabe finden Sie hier.

 

Lieber Leser*innen,

ganze 15 Jahre ist es her, dass wir unseren Themenschwerpunkt auf geschlechterbezogene Kinder- und Jugendarbeit/Soziale Arbeit legten. Seitdem hat sich einiges getan. Gerade in den letzten Jahren haben Themen, wie Sexismus, Geschlechterungleichheit und Autoritäre Pädagogik Einzug in gesellschaftlichen Debatten gefunden. Es sind parallel laufende Entwicklungen zu beobachten: Ein Revival von starken Männern (Trump, Putin, Bolsonaro), der Rückbesinnung auf traditionelle Rollenverteilung und gleichzeitig eine Sensibilisierung für Themen wie Sexismus, Rassismus und andere Formen von Diskriminierung.

Was Erwachsene/wir Fachkräfte aus einer anderen Generation häufig als befremdlich oder singuläre Erscheinung abtun, wissen Kinder und Jugendlichen schon längst: „Queere Lebensweisen werden verstärkt Teil jugendkultureller Praxen“, stellt Chris Henzel in der Buchrezension Heteronormativitätskritische Jugendbildung (1) fest. Höchste Zeit also, dass wir uns mit den aktuellen Entwicklungen beschäftigen. Jutta Hartmann hat für Sie Diskurslinien aus jüngerer Vergangenheit und Gegenwart im Feld der Jugendarbeit aufbereitet, während Fabienne Fröhlich und Sarah Brune begründen, wie sehr Genderkompetenz mit Haltungsfragen verknüpft sind. Eine zentrale Erkenntnis zieht sich durch dieses Heft: Für queere Jugendlichen gibt es zwar immer mehr spezifische Angebote – einige stellen wir in diesem Heft vor – , in herkömmlichen Einrichtungen der OKJA werden diese jedoch kaum mitgedacht. Eine Ausnahme bildet hier das Mädchen*zentrum Eimsbüttel, welches sich für Trans-Jugendliche geöffnet hat und diesen Prozess in dem Beitrag Mädchen*zentrum goes Sternchen* bescheibt.

Außerdem beschäftigte uns die Frage, wie Fachkräfte selbst Gender im beruflichen Alltag erleben. Dazu erreichten uns zwar leider nicht unerwartete, so doch sehr bedenkliche Statements und Erfahrungsberichte von neun weiblichen Fachkräften der Sozialen Arbeit, die eine deutliche Diskrepanz zwischen emanzipatorischen Bestrebungen und alltäglichem Umgang aufzeigt. B.  Nicolaisen  hat für uns ihre Erfahrungen in der Erzieher*innenausbildung aufgeschrieben, während Katherina  Eisenzimmer  ihre Forschung zu Frauen in Leitungspositionen in Sozialer Arbeit zusammengefasst hat.

Macht und ihre Wirkung in Sozialer Arbeit lautete der Titel des Heftes 3/2018 – dieser Zusammenhang lässt sich unschwer auch auf den jetzigen Schwerpunkt übertragen – doch hier regte er Helmut  Szepansky  und Gabriele  Biehl  zu einer vertiefenden Auseinandersetzung mit Hausbesuchen an. Birgit  Stephan  wiederum beleuchtete verschiedene Beiträge des Heftes 3/2018 unter dem Ansatz des Familienrats. Zu Beginn des Hamburger Tribunals über die Verletzung von Kinderrechten in der Heimerziehung Ende 2018 betonte die Anklage, dass Kinder und Jugendliche trotz formal erhöhter Beteiligungsrechte wieder vermehrt Objekte erzieherischer Maßnahmen würden. Ablauf und Ergebnisse  des  Tribunals hat Timm  Kunstreich  dargelegt. Dass Zeit zum Handeln sei, bilanziert auch Wolfgang  Hammer  mit Blick auf den Abschlussbericht  der Enquetekommission.

1) Wer hier fremdwörtertechnisch aussteigt, für den*die haben wir zentrale Begriffe auf den folgenden Seiten erklärt ...